„Das Ritual ist stets gleich: Ohne genug „O-Saft“ in jedem Glas geht gar nichts. Erst dann kann Roya Ahmadi beginnen vorzulesen. Die Nordwest-Schadenchefin ist erfahren in diesen Ritualen. Denn seit fast zwei Jahren hat sie regelmäßig Hamburger Grundschüler zu Gast. So lange ist sie mit dem Verein „Chefs lesen Kindern vor“ verbunden. Im Herbst wird der Verein zehn, Grund genug, Ahmadi vorab zum Interview vor die Kamera zu bitten.
Die Kinder tauchen bei ihren Besuchen in eine für sie unbekannte Welt ein
ie Drittklässler aus der Hamburger Grundschule Genslerstraße kennen sich schon aus in der Allianz – zum dritten Mal sind sie hier zu Gast. Die Schule ist eine von aktuell 22, die Dirk Brandt mit seinem Verein „Chefs lesen Kindern vor“ betreut. Den acht- und neunjährigen Kindern möchte er das Thema Führungskräfte nahebringen.
Brandts Schlüsselerlebnis als Auslöser für die Vereinsgründung war einst ein Disput mit seinem damals achtjährigen Patenkind: „Er konnte sich unter einem ‚Chef‘ nichts vorstellen, denn ‚Chefs‘ befehlen doch nur und schmeißen Leute raus“, sei die Meinung des Kindes gewesen. Dem wirkt Brandt seither mit ganz praktischer Aufklärung entgegen. „Eines der wichtigsten Erlebnisse ist es dabei, zu Besuch im ‚Allerheiligsten‘ zu sein: dem Arbeitszimmer eines ‚Chefs‘. Sie machen die Erfahrung, wie ‚Chefs‘ wirklich sind und dass es sich auch nur um ganz normale Menschen handelt“, sagt Brandt.
Dirk Brandt vom Verein „Chefs lesen Kindern vor“
Roya Ahmadi erinnert sich gern an den Start der Zusammenarbeit: „Es war leicht, meine Hamburger Kolleginnen aus dem Führungskreis für dieses Vorhaben zu gewinnen.“ Auch die Kölner Kollegen hätten sich gern beteiligt. „Aber leider ist der Verein mit seinen Aktivitäten auf Hamburg begrenzt.“
Das Ungewohnte an dem Projekt sorgte auch bei den „Chefinnen“ für eine ordentliche Portion Lampenfieber: „Je näher der erste Besuch rückte, desto mehr Fragen kamen bei uns auf: Welches Buch? Was machen wir, wenn keiner zu hören will? Sind die Lehrer in der Nähe?“ Doch Vereinschef Brandt gab wertvolle Tipps und empfahl, vor allem authentisch zu bleiben. „Der erste Besuch war dennoch irgendwie aufregend und verlief zum Glück ohne große Zwischenfälle“, so Ahmadi. „Das Allianz Gebäude, die Aussicht, die Getränke und die Vorleser kommen bis heute gut an.“
Und was sagt der Kindermund zur Allianz? „Die Chefinnen sind sehr nett und konnten gut vorlesen. Wir hatten alle unsere eigenen Namensschilder. Ein toller Ausblick aus dem Fenster, und der Saft war super.“ Und bis auf wenige Ausnahmen können sich alle nun vorstellen, selber einmal „Chef“ zu werden. Die Schadenchefin liest eine spannende Passage aus „Gregs Tagebuch“ von Jeff Kinney vor, die Kinder halten dabei mit Fragen und ihren Meinungen nicht hinterm Berg.
Für Ahmadi steht fest: „Jeder Besuch und jede Klasse ist anders, aber alle diese Kinder geben in einer beeindruckenden Form direktes und ehrliches Feedback, wie wir es als Erwachsene in der Regel nicht mehr kennen. Die Kinder schreiben uns Briefe – toll, dass es noch keine E-Mails sind – und schildern, wie Sie uns erlebt haben. Dieses individuelle Feedback möchte ich nicht mehr missen wollen.““